Rüdiger Rossig | Journalist | Novinar

Ein Punk für Donald Trump​

Eine Vorliebe für komische Typen hatte Johnny Rotten schon früher. 1977 ersetzte der Sänger der Sex Pistols den vorherigen Bassisten durch die Szeneikone Sid Vicious. Der konnte zwar nicht spielen, passte aber super in die Optik der Punkband. Zusammen wurden sie weltberühmt.​

Angesichts dieser Erfahrung mit Dilettanten verwundert Rottens positiver Blick auf Donald Trump nicht, den Medien im Wahlkampf als „political Sex Pistol“ bezeichnet hatten. Dass der US-Präsident Rassist sei, sei eine Behauptung „der linken Medien“, sagte der Punksänger am Montag auf Independent Television (ITV). Dass Trump Politiker erschrecke, sehe er mit Freude: „Er könnte ein Freund werden.“​

Auch anderen Politikern außerhalb etablierter Parteien ist Rotten freundlich gesinnt. Nigel Farage, Exchef der EU-feindlichen United Kingdom Independence Party Ukip, nannte er auf ITV „fantastisch“. Dessen Zusammenstoß mit Bob Geldorf, Ex-Sänger der Boomtown Rats, vor dem Brexit-Referendum habe ihm so gut gefallen, dass er unbedingt die Hand des Rechtspopulisten schütteln wollte.​

Apropos Brexit: Den hat Rotten, der sich zuvor oft zu Europa bekannt hatte, mittlerweile akzeptiert: „Die arbeitenden Klassen haben gesprochen und ich bin einer von ihnen und stehe hinter ihnen.“ Das stimmt: Die Eltern des 1956 in London als John Lydon geborenen Punkers waren aus Irland nach England eingewandert. Der Vater arbeitete als Fahrer und Kranführer, Rotten selbst lebte bis zu seinem sechsten Lebensjahr mit seinen Eltern und drei Brüdern in einer Zweizimmerwohnung. Den Rest seiner Kindheit verbrachte er in einer Neubausiedlung, später bewohnte er besetzte Häuser.​

Basis von Rottens Abschied vom Proletariat waren ironischerweise die oberprolligen Sex Pistols: Von dem Geld, das Warner Brothers 1977 für einen Vertrag mit den Pistols berappte, kaufte er eine Eigentumswohnung. Später zog er in die USA, wo er heute die Staatsbürgerschaft und mehrere Villen besitzt, von denen aus er sein Post-Punk-Projekt „Public Image Limited“ P.I.L. betreibt. Deren letztes Album hieß übrigens „What The World Needs Now . . .“. In Trumps Wahlkampf spielte es keine Rolle.​

Rüdiger Rossig

taz