Rüdiger Rossig | Journalist | Novinar

Millionen für die Festung Europa

Allein 2011 hat die EU über 400 Millionen Euro in die Sicherung der Außengrenzen gesteckt. Damit könnten 23.000 Flüchtlinge pro Jahr für den Arbeitsmarkt fit gemacht werden. Stattdessen ertrinken jährlich 700 von ihnen im Mittelmeer

Ab heute treffen sich die EU-Innenminister in Luxemburg. Auf der Tagesordnung: die weitere Abschottung Europas. Vor allem Deutschland und Frankreich wollen künftig wieder die Schengen-Binnengrenzen kontrollieren, um illegale Einwanderung zu bekämpfen.

Zuvor hatten sich der deutsche Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) und sein französischer Kollege Claude Guéant in einem Brief an die dänische EU-Ratspräsidentschaft dafür ausgesprochen, dass die Schengen-Länder als "Ultima Ratio" für 30 Tage ihre Grenzen kontrollieren dürfen sollen, wenn andere Mitgliedstaaten ihren Grenzschutzpflichten nicht nachkommen. Die Entscheidung sollen die Regierungen ohne Brüssel treffen können.

Insgesamt gibt die EU nach Angaben der Europa-Grünen bereits jetzt mindestens 400 Millionen Euro im Jahr für Grenzsicherung aus. Damit könnten über 23.000 Flüchtlinge eine dauerhafte Perspektive in Europa finden - etwa über das "Resettlement-Programm" des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR.

Vor allem in Nordafrika warten mehrere tausend besonders schutzbedürftige Flüchtlinge aus Kriegsregionen wie Somalia oder Eritrea auf Resettlement-Plätze - doch die UN findet nur für einen Bruchteil von ihnen Aufnahme. Im Herbst hatten die deutschen Innenminister nach mehrmonatigen Bitten des UNHCR zugesagt, bis 2014 jeweils 300 Menschen jährlich aufzunehmen. Zuletzt hatte die Bundesrepublik etwa 1.300 irakische Christen im Resettlement-Programm aufgenommen.

Nach vorsichtigen Schätzungen des UNHCR dauert es durchschnittlich etwa 3,5 Jahre, bis ein Flüchtling in Deutschland wirtschaftlich auf eigenen Beinen steht. Dazu kommen Ausgaben für einen Integrationskurs, in dem die Aufgenommenen die deutsche Sprache lernen und mit dem politischen System der Bundesrepublik vertraut gemacht werden. Zudem sind laut UNHCR oft Qualifikationsmaßnahmen nötig. Eine dauerhafte Integrationsperspektive kostet nach dieser Rechnung rund 18.000 Euro im Jahr.

Die größte Gruppe, die die Bundesrepublik in der Vergangenheit aufgenommen hat, waren rund 350.000 Flüchtlinge aus Exjugoslawien. Eine Studie der Wohlfahrtsverbände ergab 1999, dass ihre Zahlungen in die Sozialkassen und ihr Beitrag zur Wirtschaftsleistung unter dem Strich ein Nettoplus ergaben.

Obwohl das bekannt ist, ertrinken nach Berechnungen der Webseite Fortress Europe jährlich etwa 700 Menschen beim Versuch, die EU zu erreichen, im Mittelmeer. CJA, RR

taz, die tageszeitung