Rüdiger Rossig | Journalist | Novinar

Jugendkultur, Migration und Medien

GMK - Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur

Das Buch (Ex-)Jugos von Rüdiger Rossig ist im Hinblick auf Fragen von Jugendkultur, Migration und Medien bemerkenswert, weil an ihm ein Spannungsverhältnis deutlich wird: Auf der einen Seite geht es dem Autor darum, die „Subkulturen der jungen Ex-Jugoslawen“ (Rossig 2008, S. 7) in Deutschland nachzuzeichnen. Auf der anderen Seite lösen sich diese „Subkulturen“ in seiner Betrachtung zunehmend in einem hybriden Stilensemble mit Ethnobezügen auf. Charakteristisch für viele andere Stellen in diesem Buch ist folgendes Zitat eines der Veranstalter der „Balkan Black Box“ (ein Festival für Film und Kultur aus Südosteuropa): „Balkan Black Box ist nicht ethnisierend oder kulturalistisch wie viele andere Veranstaltungen zum Thema Südosteuropa. Wir pflegen bewusst nicht die Bräuche irgendeiner Heimat, sondern sind sehr subkultur-orientiert, sehr auf Berlin zugeschnitten ….“ (ebd., S. 116) Vor dem Hintergrund der im deutschen Sprachraum allgemein verbreiteten Vorstellungen vom „migrantischen Jugendlichen“, der ganz und gar in „seiner“ – meist als russisch oder türkisch gedachten – „ethnischen Jugendkultur“ aufgeht, die sich hermetisch dem aktuellen Lebenskontext verschließt, irritiert ein solches Zitat. Man mag vielleicht argumentieren, dass die von Rossig untersuchten „(Ex-)Jugos“ ein Sonderfall sind: Jugoslawen hatten als bevorzugte „Gastarbeiter“ stets ein vergleichsweise positives Image, was deren „Integration“ erleichtert. Und viele der interviewten Personen haben einen vergleichsweise hohen Bildungshintergrund, so dass die Aussagen des Buchs nicht für andere Migrantinnen und Migranten verallgemeinerbar wären. Der Kern solcher Argumente ist letztlich, dass man das Spezifische des Kontextes, den Rossig im Blick hat, sehen muss. Auch wenn solche Überlegungen nicht von der Hand zu weisen sind, meinen wir gleichwohl, dass uns die Veröffentlichung von Rossig auf etwas hinweist, das durch unsere eigene Forschung bestätigt wird: Die Vorstellung, „migrantische Jugendkulturen“ wären aufgrund ihrer ethnischen Bezüge kommunikativ vollkommen geschlossen, erscheint nicht angemessen, um das zu fassen, mit dem wir im Feld von Jugendkultur, Migration und Medien konfrontiert sind. Wie unsere eigene Untersuchung[i] zur Aneignung von (digitalen) Medien durch marokkanische, russische und türkische (jugendliche) Migrantinnen und Migranten zeigt, haben wir es mit einer komplexeren Lage zu tun. Vermittelt durch traditionale Massenmedien und zunehmend digitale Medien wie Online-Angebote bzw. Social Web sind populärkulturelle Angebote ein wichtiger Bestandteil des Medienrepertoires von jugendlichen Migrantinnen und Migranten. Die dabei bestehenden transkulturellen Bezüge sind allerdings wesentlich vielfältiger, als dass sie mit Vorstellungen einer in sich geschlossenen „migrantischen Jugendkultur“ vereinbar wären. Um diesen Sachverhalt zu fassen, möchten wir in diesem Artikel in zwei Schritten argumentieren: In einem ersten Schritt geht es uns darum, anhand einer von uns entwickelten Typologie zu verdeutlichen, dass allgemein das Themenfeld „Medien und Migration“ jenseits eines vereinfachenden Blicks der „Integration in nationale Staatscontainer“ zu sehen ist. Ein solches Verständnis ermöglicht es uns dann in einem zweiten Schritt konkreter zu fassen, welchen Stellenwert (Pop-)Musik als einem Teilbereich heutiger populärer Medienkulturen für jugendliche Migrantinnen und Migranten hat.

Rossig, R. (2008): (Ex-)Jugos. Junge MigrantInnen aus Jugoslawien und seinen Nachfolgestaaten in Deutschland. Berlin.

GMK - Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur 15.12.2010