Rüdiger Rossig | Journalist | Novinar

Auf Kosten der Glaubwürdigkeit

Eine unnötige Entschuldigung der Bundeszentrale für politische Bildung | Von Rüdiger Rossig

Die Idee hinter dem Schülernetzwerk "Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage" ist so simpel wie gut: Bevor eine Schule sich Schule ohne Rassismus nennen darf, müssen sich 70 Prozent der Lernenden, der Lehrenden und des sonstigen Personals verpflichten, sich gegen Diskriminierungen einzusetzen, bei Konflikten einzugreifen und sich regelmäßig mit Themen wie Rechtsextremismus, Rassismus oder Homophobie zu beschäftigen.

520 Grund-, Haupt-, Real-, Sonder-, Gesamtschulen und Gymnasien tragen mittlerweile den Titel "Schule ohne Rassismus". Unter anderem machen sie eine Zeitschrift. Die mit Unterstützung professioneller Journalisten von Schülern selbst erstellte, aufwändig gestaltete "Q-rage" wird in einer Auflage von einer Million an 20.000 Schulen verteilt. Bundesweit. Mit Unterstützung der Bundeszentrale für politische Bildung.

Für die Q-Rage-Ausgabe vom 28. November 2008 haben zwei 18-Jährige einen kritischen Beitrag zum "Christival" in Bremen geschrieben. Unter der Überschrift "Die evangelikalen Missionare" werden Bibel-gläubige, evangelikale Christen als "intolerant" geschildert. Auf ihren Veranstaltungen würden auch "erzkonservative, zum Teil verfassungsfeindliche Ideologien" vermittelt.

Sicher, das kann man auch anders sehen. Sicher ist aber auch, dass selten ein Schülerzeitungs-Beitrag so viel Reaktion in anderen Medien hervorgerufen hat wie dieser. Das christliche Magazin "pro" und die evangelische Nachrichtenagentur idea berichteten einigermaßen entrüstet. Vertreter der Deutschen Evangelischen Allianz, dem Dachverband der 1,4 bis 1,8 Millionen Evangelikalen in Deutschland, nannten den Beitrag in einer Beschwerde an das Kuratorium der Bundeszentrale für politische Bildung eine "Verunglimpfung und Beleidigung einer ganzen Gruppe bekennender evangelischer Christen".

Ein bisschen viel Aufregung für einen Text, den zwei 18-Jährige geschrieben hatten? Tatsächlich erregte die evangelikalen Gemüter wohl weniger der Q-Rage-Beitrag als die Tatsache, dass der Schülerzeitung ein Empfehlungsschreiben beilag. In dem schrieb Thomas Krüger, der Präsident der Bundeszentrale, "islamistische und evangelikale Gruppen" würden "wichtige Freiheitsrechte in Frage stellen" und "Jugendliche umwerben".

Drei Wochen nach dem Erscheinen von Q-Rage hat sich Krüger von diesem Satz distanziert. Er habe die Ausgabe der Schülerzeitung nicht vor dem Druck lesen können, so der Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung in einem Brief, der über den Q-rage Verteiler verschickt wurde.

Mal von der Frage abgesehen, was Krüger getan hätte, wenn er die Q-Rage-Ausgabe vor deren Druck gelesen hätte - den Beitrag der zwei 18-Jährigen verbessert? Verändert? Zensiert? Das Verhalten des Bundeszentralen-Präsidenten ist ein unnötiger Kniefall vor einer einzelnen gesellschaftlichen Gruppe. Und als wäre es damit nicht genug, gab die Bundeszentrale für politische Bildung Ende Januar auch noch bekannt: In den kommenden sechs Monaten sollen zwei Publikationen zum Thema "Christliche Verantwortung in der demokratischen Gesellschaft" erscheinen. In jeweils einer Ausgabe der "Informationen zur politischen Bildung" und von "Aus Politik und Zeitgeschichte" würde, so Bundeszentralen-Chef Krüger, "die gesamte Bandbreite christlichen Engagements" abgebildet werden.

Ein Trottel, wer hier nicht denkt, dass sich hier jemand entschuldigen will. Es bleibt an Thomas Krüger zu erklären, wofür. Wohl doch nicht für einen Text, den zwei 18-Jährige in einer Schülerzeitung geschrieben haben? Wie immer seine Erklärung ausfallen wird: Die Glaubwürdigkeit der Bundeszentrale für politische Bildung hat Krüger erstmal beschädigt.

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